Die Tollkirsche (Atropa belladonna) wurde vom Vater der modernen Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) Rudolf Fritz Weiß, als Forte-Phytotherapeutikum (stark wirkendes Pflanzenheilmittel) bezeichnet [1]. Heute, 25 Jahre nach dem Erscheinen seines Buches in der 7. Auflage, taucht Tollkirsche nur als giftiges, beziehungsweise als homöopathisches Mittel auf.
Das zeigt einmal mehr die Entwicklung in der modernen Phytotherapie, die nur noch Mite-Phytotherapeutika, also die milden pflanzlichen Heilmittel, gelten lässt. Weiß beschreibt den Hauptwirkstoff Atropin, wobei er auch darauf hinweist, dass die Tollkirsche als Vielstoff-Gemisch eben viele Wirkstoffe enthält. Ein Hinweis, der heute leider vor allem von Vertretern der Evidenz basierten Phytotherapie bei allen Heilpflanzen viel zu wenig zur Kenntnis genommen wird.
Weiß beschreibt die Tollkirsche als gutes Spasmolytikum, also krampflösendes Mittel. Verwendet werden kann eine Belladonna-Tinktur, allerdings:
Freilich muß man mit der Belladonnatinktur umzugehen wissen. Das gilt für jedes stark wirkende Arzeneimittel. Die Handhabung erfordert einige Übung und Erfahrung. Dann aber wird man sicher sein, Schädigungen zu vermeiden.
so schreibt Weiß. Es gibt heute nur noch wenige Pflanzenheilkundler, die sich auf die Dosierung verstehen oder sie ausprobieren. Eine Belladonna-Kur wurde zum innerlichen Gebrauch von Magendarm-Krankheiten oder bei der spastischen Form der Verstopfung verwendet.
[1] Quelle: Weiß, Rudolf Fritz: Lehrbuch der Phytotherapie (7. überarbeitete Auflage), Hippokrates, Stuttgart, 1991.
Mehr:
Arzneipflanzen-Merkblätter des Kaiserlichen Gesundheitsamtes (Nr. 22 Tollkirschenblätter)
Monographie Tollkirsche (1995)