Die hochsommerlichen Temperaturen laden dazu ein, eine erfrischendende Tour auf den bekannten Spreewalder Wasserstraßen zu machen. Der Spreewald liegt nur 100 Kilometer südöstlich von Berlin. Da der Spreewald ohnehin nicht mit Autos durchfahren werden kann wegen seiner vielen Wasserwege, bietet sich eine Bahnfahrt an. Das Zentrum des Spreewaldes ist Lübbenau. Vom Berliner Hauptbahnhof zum Bahnhof Lübbenau dauert die Fahrt nur 50 Minuten mit dem Regionalexpress. Alles weitere ist fußläufig. So führt vom Bahnhof Lübbenau ein realtiv kurzer Fußweg über die historische Innenstadt zum gut beschilderten Lübbenauer Hafen. Von dort aus starten die Kahntouren durch den Spreewald.Im Hafen stehen auf einer großen, grünen Tafel zahlreiche Kahnführer mit Namen vermerkt. Ebenso die Reihenfolge, denn im Spreewald versuchen in der kurzen Sommersaison etwa 250 Spreewälder als Kahnführer ihr Geld zu verdienen. Deshalb ist alles genauestens geregelt. Der Tourismus ist im strukturschwachen Spreewald überhaupt die Haupteinnahmequelle für die Einheimischen.
Unter der Woche (und nicht in den Ferien) ticken die Uhren im Spreewald langsamer. Unter der heissen Mittagssonne haben sich nur acht Fahrgäste zusammen gefunden. Auch wenn der Kahnführer Frank Hensel mit noch so kernigen Sprüchen weitere Touristen anspricht, so bleibt es dabei. Die meisten wollen zuerst Mittag essen. Wie sich später herausstellt, gehört Hensel auch das Restaurant am Hafen. Deshalb staakt er auch mit uns Achten fröhlich los. Die gepolsterten Bänke des Kahns sind angenehm für die Bootsfahrten, deren Touren durchaus sehr variieren: Kürzere Touren dauern bis zu zwei Stunden. Außerdem werden Fahrten bis zu vier oder sogar sechs Stunden angeboten. Je nach dem, wohin sie fahren, ob durch die Spreewalddörfer, Auenlandschaften, Niedermoore oder Acker- und Wiesenlandschaften. Ich habe eine zweistündige Tour zum Kennenlernen gewählt.
Nach dem Ablegen gleitet der Kahn gleitet völlig geräuschlos über das Wasser, was äußerst entspannend und angenehm ist. Die verzweigte Wasserstraße führt an einer Bootsausleihe vorbei in ein tunnelartiges Grün. Hohe Schwarzerlen oder Pappeln bilden das Dach. Farne oder andere Pflanzen, die Wasser schätzen oder gerne schattig stehen, umsäumen den etwa drei Meter breiten Wasserweg. Die lauschige Atmosphäre wird eine Zeit lang nicht unterbrochen. Der Kahnführer lässt die Eindrücke angenehmerweise auf seine Gäste wirken. Erst später als er den Kahn immer weiter in das verzweigte Wasserwegenetz führt, erzählt er: Die Spreewalder müssen in der kurzen Sommersaison ihren Unterhalt für das ganze Jahr verdienen. Früher vor der Wende arbeiteten viele Menschen im Braunkohle-Tagesabbau, der rings um in der Region bestand. Doch bis auf wenige Abbaugebiete sind die meisten Abbaugebiete nun geschlossen. Wegen der fehlenden Arbeitsplätze verlassen vor allem junge Leute den Spreewald, bedauert Hensel. Deshalb besteht die Hälfte der Bevölkerung Lübbenaus aus Rentnern. Die Anderen betreiben die zahlreichen Restaurants, Bistros, Cafés, Hotels oder kleine Ferienunterkünfte, die überall auf den Inseln oder der Region zu sehen sind. Relativ wenig Arbeitsplätze bietet auch die ansässige Industrie, für die der Spreewald so berühmt geworden ist: Die Herstellung von Spreewalder Gurken und anderen regionalen Meerrettich- oder Senfprodukten. Nach dem Anbau der Rohstoffe, also Gurken, Meerrettich, Senf wie deren Ernte und Verarbeitung, die größtenteils noch Handarbeit erledigt wird, ist diese saisonale Arbeit beendet.
Warum soviel Handarbeit auch bei Anbau oder der Ernte nötig sind, erklärt Hensel ebenfalls. Die Anbau- oder Wiesenflächen an den Wasserstraßen sind klein. Um sie zu bewirtschaften, müssen die Spreewalder alles mit den Kähnen herbeischaffen wie auch abtransportieren. Die maschinelle Bewirtschaftung ist oft so ineffektiv, dass das Meiste mit der Hand gemacht werden muss. “Das ist auch der Grund, warum die Landwirtschaft immer weniger betrieben wird”, so Hensel, “sie ist den Meisten ein zu mühseliges Geschäft”.
Die ruhige Fahrt geht weiter. Entenpäarchen kommen immer wieder dicht an das Boot und schauen erwartungsvoll. Sie haben wohl gelernt, dass bei den vorbeifahrenden Booten leicht Nahrung zu holen ist. Ansonsten sind viele Libellen zu bewundern, die gerade ihre sportlichen Paarungstänze vollführen. Der Spreewald ist ebenso wegen des bedeutsamen Biosphärenreservats bekannt, dass unter der Schirmherrschaft der UNESCO steht. Von dem etwa 1.500 Kilometer langen Wasserstraßen-Netz, sind 200–500 Kilometer touristisch freigegeben- also Kähne und Paddler. Der Rest ist geschützt oder selbst für diese Wasserfahrzeuge nicht zugänglich. Das Biosphärenreservat selbst hat eine Größe von 485 Quadratkilometern und wird von 18.000 (!) Tier- und Pflanzenarten bevölkert. Von den 900 Pflanzenarten stehen alleine 150 Arten auf der Roten Liste. Außerdem finden seltene Tiere wie Biber oder Schwarzstörche Lebens- und Überlebensräume. Das Biosphärenreservat ist unterteilt in drei Zonen: Der Kernzone, die nur von Wissenschaftlern zu Forschungszwecken betreten werden darf, den Zonen II und III, die zum Teil noch wirtschaftlich von Menschen genutzt werden dürfen (weitere Informationen).
Die Fahrt geht vorbei am Dorf Lehde, dass kein Museumsdorf sein soll, wie die Website des Ortes Auskunft gibt. Im Dorf leben noch 130 Bewohner. Sie betreiben Restaurants, Gasthäuser, Feriendomizile, Läden für verschiedene Produkte und ein Freilandmuseum. Dort wird das vormalige Leben dar- und vorgestellt. Manche Kahntouren machen in Lehde eine einstündige Pause. Apropos Pause: Auch wir machen eine im Kaupen No.6, dem Restaurant des Schwagers des Kahnführeres. Es ist ganz angenehm, nach dem längeren Sitzen die Beine vertreten zu können, und anschließend den Flüssigkeitshaushalt bei der Hitze wieder aufzufüllen. Das Gasthaus besteht aus dicken, dunklen Holzstämmen und hat drinnen eine gemütliche Gaststube. Sie wird allerdings nur von einem völlig schlappen Kater bewohnt. Ihm macht wohl die Hitze zu schaffen.
Ich nehme mir vor, den Spreewald einmal für ein paar Tage auf eigene Faust mit dem Paddelboot zu erkunden. Bootsverleihe, Gasthäuser gibt es genug. Sicherlich ist es etwas völlig anderes, alleine oder zu zweit durch die Auen- und Parklandschaft zu fahren. Bestimmt lohnen sich auch kleine Ausflüge auf den vielen Wegen, die sich häufig entlang der Wasserstraßen schlängeln. Das Kartenmaterial habe ich übrigens schon: Ein lohnenswerter Kanu- und Paddelführer beschäftigt sich nur mit dem Spreewald. Er ist handlich und hat eine Spiralbindung. Er hat ausführliche Tourenbeschreibungen mit gut lesbarem Kartenmaterial und vielen Tipps und Tricks. Zu beziehen unter: Thomas Kettler Verlag (9,95 €).
Ahoi!
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Treibst Du friedlich auf der Spree
Tut Dir nix mehr weh!
Ach könnte ich das Büro doch einfach so verlassen!