In der letzten Woche hat es sogar mal in Berlin zwei Tage geregnet. Die Natur bedankte sich dafür, indem von einem Tag zum anderen alles grünte und blühte. Mit diesem Eindruck bin ich nach Schleswig-Holstein gefahren. Das Bundesland etwa 300 Kilometer nördlicher als Berlin hatte einen ganz anderen Vegetationsstand. Die Bäume waren noch kahl und Heilpflanzen, die bei uns längst verblüht sind, waren hier noch zu sehen. Ein Bericht.
Zum Beispiel waren die Weiden gerade am Verblühen. Diese Aufnahmen sind in der wunderschönen Schleswig-Holsteinischen Schweiz entstanden, genauer Preetz und Kiel. Rund um den Preetzer Postfelder See laden Wege zu ausgiebigen Spaziergängen ein. Sie führen durch Naturschutzgebiete, die Amphibien und Vögeln ungestörte Überlebensmöglichkeiten bieten. Ornithologisch Interessierte kommen auf ihre Kosten.
Auf der Mühlenau, dem Verbindungsflüßchen zwischen Postfelder See und der Schwentine entdeckte ich gleich zwei Schellenten-Päarchen. Ich habe die Baumhöhlenbrüter noch nie beobachten können. Hoffentlich finden die scheuen Vögel auch eine Nistmöglichkeit. Denn alte Bäume sind sehr rar geworden. Ein Informationsschild verwies noch auf andere seltene Seebewohner: Seeadler, Rohrdommel, Rohrweihe oder Eiderenten.
Auf dem ersten Abschnitt des Rundweges um Preetz, der sogenannten “Schusteracht” (Preetz war früher Schusterstadt), wird auf die bewegte Geschichte dieser Region hingewiesen. Eine “Motte” (Chateau à motte= Burg auf Erdhügel) wird sichtbar. Karl der Große hat selbst hier im hohen Norden Politik betrieben: 810 ließ er entlang der Schwentine, einem Flüßchen, das die Region durchfließt und in der Kieler Förde endet, Turmhügelburgen erbauen, um die Sachen-Grenze (limes saxoniae) zu befestigen. So sicherte er seine Gebietsansprüche gegenüber den “heidnischen” Slawen (z.B. Obodriten, Polaben), die auf der anderen Seite siedelten.
Die Schleswig-Holsteinische Schweiz ist eine Endmoränen-Landschaft. Gletscher schufen tiefe Seen, Flüsse und sanfte Hügel, die die Region zu einer abwechslungsreichen, lieblichen Landschaft machen. Hier gibt es auch noch die alte Struktur der Knicks, die sich schützend um die Felder säumen und Vögeln, Kleintieren Schutz und Refugien bieten. Nach Kiel allerdings sind auch Beispiele “effektiver” Landwirtschaft zu sehen. Die Knicks wurden abgeschafft. Die riesigen Felder sind dem Nordseewind und damit der Erosion schutzlos ausgesetzt. Güllegestank vermischt sich mit der Seeluft und Glyphosat-Felder sorgen für die nachhaltige Zerstörung der Lebensräume von Heilpflanzen, Wildkräutern und letztendlich auch Kleinstlebewesen und Vögeln. Leider scheint die Kieler Regierung keine einheitlichen Konzepte zum Naturschutz zu haben. Dabei ist der Tourismus ein relativ wichtiger Faktor für das strukturschwache Bundesland.
Auch ein Ausflug an die Kieler Förde zeigt, dass beispielsweise der Zersiedelung kein Einhalt geboten wird. Die Region Mönkeberg direkt an der Förde, früher verschlafen und versteckt hinter lauschig-einsamen Buchenwäldern, ist nun Siedlungsgebiet von Wohlbetuchten geworden, die ihre Villen hinter mächtigen automatischen Eisentoren oder hohen Sichtschutzhecken zu verstecken suchen.
Dazwischen gibt es kaum erstgemeinte Versuche, noch ein paar Refugien für die Vögel zu schaffen. Die werden jedoch schon durch freilaufende Hunde ad absurdum geführt.
Eine sehr steife Brise brachte Wind von der Nordsee und türmte Wellenberge auf. Wunderbare frische Seeluft mit einer Prise Seetang ließ heimatliche Gefühle aufkommen und Erinnerungen an sorglose Ostsee-Strand-Tage mit Sonnenbränden und mächtigem Hunger nach stundenlangem Baden.
Wie schön, dass Gerüche, Wind und sturmumtoste Strände so etwas Schönes hervorzaubern können! Klar, dazu gehören auch Quallen. Ihr massenhaftes Auftreten im Sommer sind Ausdruck einer überdüngen Ostsee.
Am Strand wuchs ein Ginsterbusch, in den Buchenwäldern grünte es nur am Boden: Buschwindröschen und Bärlauch ließen sich blicken.
An der Mühlenau und einem angrenzenden Feuchtgebiet blühte Pestwurz, die alte, wichtige Heilpflanze. Auf der Rückfahrt nach Berlin spürte ich noch lange den Wind auf meinem Gesicht. Schön war der Ausflug, trotz einiger Wermutstropfen!