Das Fotografieren mit einem Makroobjektiv fördert manchmal Überraschendes zutage. Beim genaueren Anschauen von Mistelzweigen entdeckte ich viele kleine “Mistel-Alien”.
Genauso wie diese neu wachsenden Blätter und Blütenansätze ist die weissbeerige Mistel (Viscum album) insgesamt eine ziemlich merkwürdige Pflanze. Die Mistel ist ein Schmarotzer, hat also keine eigenen Wurzeln in der Erde, sondern benötigt einen Wirt. Im Holzgewebe von Bäumen setzt die Pflanze ihre pfahlwurzelartigen “Senker” ab und verbindet sich mit den wasser- und nährstoffleitenden Gefäßen des Wirtbaumes.
Die Mistel wird von den Anthroposophen als Heilmittel bei Krebs angewandt. Mistelpräparate werden insbesondere von Krebspatienten im Rahmen einer alternativen, komplementärmedizinischen Behandlungsmethode geschätzt. Anthroposophisch arbeitende Ärzte verordnen die Mistelpräparate nach einer Anamnese. Dabei wird der Arzt entscheiden, welche Dosierung und welches der Mistelpräprate zum Einsatz kommt: Es gibt Mistel-Präparate von Mistel-Apfelbäumen, Mistel-Weisstannen oder Mistel-Kiefern. Mistelpräparate sind also nicht für die Selbstmedikation geeignet.
Gewöhnungsbedürtig ist für manche Krebspatienten die Verabreichung: Das Präparat wird in kleinen Kapseln geliefert. Die Kapsel wird gekappt, das Medikament mit einer Spritze aufgezogen und unter die Haut am Bauch oder in den Oberschenkel gespritzt. Nach einmaligem Zeigen ist das Selbstinjizieren ohne weiteres möglich, manchmal tut der Stich nur ein wenig weh. Hautreaktionen rund um die Einspritzstelle sind normal und durchaus gewünscht.
Mit der Misteltherapie wird versucht, das körpereigene Immunsystem zu stimulieren. Neben dieser medikamentösen, körperlichen Therapie besprechen anthroposophisch arbeitende Ärzte auch noch Maßnahmen für die Seele. Denn entsprechend des ganzheitlichen Ansatzes der Anthroposophischen Medizin würde die medizinische Behandlung allein nicht ausreichen. Zur Bewältigung der Krebserkrankung, die oft mit schweren Zweifeln, psychischem und/oder körperlichem Leid einhergeht, werden also vom Arzt Vorschläge gemacht. Die Patienten können, je nach Vorlieben, entweder künstlerisch tätig werden und z.B. eine Maltherapie oder das Modellieren mit Ton beginnen. Wer sich lieber bewegt kann eine Bewegungstherapie wie die Eurythmie oder Stimmarbeit anfangen. Diese Therapien werden von vielen Patienten als aussergewöhnlich hilfreich empfunden. Über das Malen, Bewegen, Sprechen oder Singen können sie ihre Gefühle häufig erstmals zulassen und über Gespräche mit den jeweiligen begleitenden Therapeuten anfangen, ihre Erkrankung zu verarbeiten.
Die Mistel ist besonders im Winter in ihren Wirtsbäumen leicht zu sehen. Als rundes, grünes Pflanzengebilde ist sie im sonst kahlen Baum gut erkennbar. Die Mistel entwickelt weisse Beeren. In jeder Beere steckt ein Keimling, der mit einem Schleimmantel umhüllt ist. Vögel fressen diese Beeren gerne im Winter. Scheiden sie dann die Reste z.B. auf einem anderen Baumast aus, kann der Keimling mit Hilfe des Schleims auf dem Ast haften bleiben und unter günstigen Bedingungen eine neue Mistelpflanze entwickeln.
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