Auf dem Stadtplan von Marrakech entdeckte ich nordwestlich der Stadtmauer den “Jardin Majorelle”, der als Botanischer Garten untertitelt war. Wunderbar dachte ich mir und zog eines Tages los, um Neues kennen zu lernen. Denn Botanische Gärten — gerade in warmen Regionen — beherbergen oft Heilpflanzen, die mir in meiner Fotosammlung noch fehlen.
Der Garten lässt sich zu Fuß etwa 25 Minuten von der Koutoubia (Wahrzeichen Marrakechs) gut erreichen. Das hat den Vorteil, ein wenig vom “modernen” Marrakech außerhalb des alten Stadtbezirks zu erleben: Vorbei an den neuen Hotels, dem Busbahnhof der Stadt oder Wohnvierteln ist der Jardin Majorelle auch schon da.
Das Grundstück für den Garten wurde vom französischen Maler Jacques Majorelle 1924 erworben. Er baute ein Haus und legte über Jahrzehnte seinen Garten an. Er sammelte vor allem Kakteen oder Palmen aus allen Teilen der Welt. Sowohl das Haus, die Bewässerungsanlagen oder Fischteiche sind mit dem sogenannten Majorell-Blau angemalt. Die leuchtende Farbe bildet einen schönen Kontrast zu den zahllosen Grünschattierungen der Gartenpflanzen oder dem strahlenden Blau des Himmels.
Allerdings verdient der Jardin Majorelle nicht die Bezeichnung eines Botanischen Gartens. Denn schon nach ein paar Schritten wird deutlich, dass sich hier ein Privatmann nach eigenem Geschmack und ästhetischen Kriterien etwas zusammen gestellt hat. Und so stehen die Kakteen, Sukkulenten oder Palmen bunt gewürfelt, egal ob sie aus Mexiko, Südafrika, Indien oder sonst wo herstammen. Auch die Beschriftung der Pflanzen ist eher spärlich, ab und zu stehen ein paar Schilder herum. Doch nur dort, wo sie die Gesamtkomposition nicht stören.
Nach einem Unfall kehrte der Maler Marrakech den Rücken. Der Garten verwilderte bis der Modeschöpfer Yves Saint Laurent ihn entdeckte, kaufte und mit seinem Lebensgefährten wieder belebte. Sicherlich wird Laurent die Grundstruktur des Hauses wie auch der Wasseranlagen erhalten haben. Doch ob er auch die Pflanzen so stehen ließ, wie der Maler sie ursprünglich anlegte, ist unklar. Auf jeden Fall ist der Garten klinisch sauber. Die Pflanzen werden von kleinen Kieselsteinen umgeben, die à la buddhistischer Zen-Klosterkultur sorgfältig und regelmäßig geharkt werden. Entlang der Wege stehen so viele Papierkörbe, wie es sie in ganz Marrakech-Stadt keine gibt (keinen einzigen). Möglicherweise haben Kakteen- und Sukkulenten-Freunde ihre Freude am Jardin Majorelle, ich fand den Garten steril und ziemlich langweilig. In der Werbebroschüre heisst es, dass Laurent sich aus dem Garten seine Inspiration geholt haben soll. Nun weiss ich, wieso ich mit seiner Mode nie etwas anfangen konnte. Auch sie war perfekt, wenig einfallsreich, irgendwie steril.
Vielleicht ist es ja im heissen Sommer etwas anderes im Garten zu sein. Dann könnten die Gewässer für Erfrischung sorgen oder die schön angelegten Bambushaine Schatten spenden. Vielleicht beleben dann auch Insekten, Geckos oder Vögel den Garten? Doch ohne Blumen dürfte er auch im Sommer wenig vier- oder achtbeinige Interessierte anlocken (mochte Laurent eigentlich keine Blumen?). Nach seinem Tod wurde Laurent’s Asche im Garten verstreut. Der Jardin Majorelle wird als Stiftung weiter betrieben: Es gibt noch ein kleines Berbermuseum, ein Café, um einen Pfefferminztee zu trinken oder einen “LOVE-Shop” — für Laurent-Fans zum Geld ausgeben.
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