Lor­beer­wäl­der in Makaronesien

Lorbeerwald in Teneriffa/ Anagagebirge
Lor­beer­wald in Teneriffa/ Anagagebirge

Maka­ro­ne­si­en? Bis­her bin ich dem Begriff, der sich eher nach der bekann­ten, ita­lie­ni­schen Nudel­sor­te anhört, nicht begeg­net. Bis zum letz­ten Tene­rif­fa-Urlaub. Tene­rif­fa gehört näm­lich zu Maka­ro­ne­si­en. Schö­ner klingt aller­dings “Insel der Geseg­ne­ten oder Glück­li­chen”. Dazu wer­den die Azo­ren, Madei­ra, die Kana­ren und Cap­ver­den gezählt. Etwas, das sich die­se Inseln geo­bo­ta­nisch unter ande­rem tei­len, sind Lor­beer­wäl­der. Auf Tene­rif­fa lie­gen die Lor­beer­wäl­der auf der Nord­sei­te des Ana­ga-Gebir­ges. Es ist leicht gewor­den, die Lor­beer­wäl­der per Auto zu besu­chen. Denn ein EU-För­de­rungs­pro­gramm hat zum Aus­bau vie­ler Stra­ßen bei­getra­gen. Auch die Stra­ßen hoch oben in den Ana­ga­päs­sen haben davon “pro­fi­tiert”.  Eine Fahrt lohnt sich in jedem Fall bei gutem Wet­ter. Denn die nach wie vor engen Ser­pen­ti­nen­stra­ßen über die Päs­se bie­ten atem­be­rau­ben­de Aus­bli­cke auf die Nord-Ost oder Nord-West-Sei­ten des Gebir­ges — je nach dem auf wel­cher Sei­te sich die Stra­ße gera­de schlän­gelt. Die Aus­bli­cke sind schön, wild und urwüchsig.

Lorbeerwälder der Nordseite, 10% des ursprünglichen Bestandes
Lor­beer­wäl­der der Nord­sei­te, 10% des ursprüng­li­chen Bestandes

Eine wich­ti­ge Wachs­tums­be­din­gung für Lor­beer­wäl­der: Ste­tig wehen­de Nord-Ost-Pas­sat-Win­de. Vom Meer her kom­mend pral­len sie auf die Nord­hän­ge der Inseln, stau­en sich dort und lie­fern soge­nann­ten Stei­gungs­re­gen. Die­ser bringt auch im Som­mer Nebel­nie­der­schlag. Die Pas­sat­win­de schaf­fen ein durch­gän­gig warm-gemä­ßig­tes, feuch­tes­Kli­ma im Ana­ge­ge­bir­ge und damit die rich­ti­gen Wachs­tums­be­din­gun­gen der Lor­beer­wäl­der. Auch dann wenn im Som­mer in ande­ren Regio­nen der Insel Tene­rif­fa eher Tro­cken­heit herrscht. Die Lor­beer­wäl­der gibt es auf  Tene­rif­fa, La Pal­ma, El Hier­ro, La Gome­ra und Gran Cana­ria mit ähn­li­chen geo­bo­ta­ni­schen Bedingungen.

Lorbeerblätter (Laurus azorica)
Lor­beer­blät­ter (Lau­rus azorica)

Der Lor­beer­wald Tene­rif­fas (Lau­rus azori­ca) zieht sich auf der Nord­sei­te von etwa 500 Metern bis 1.200 Meter die Ber­ge hin­auf. Er gilt als Über­bleib­sel der ter­tiä­ren Über­gangs­pha­se (vor 65 Mil­lio­nen Jah­ren, für die Erd­ent­ste­hung ein Wim­pern­schlag, Ende Krei­de­zeit). Etwa zehn Pro­zent des ursprüng­lich vor­han­de­nen Lor­beer­wal­des besteht noch (sie­he Quel­le). Da das Ana­ga-Gebir­ge zum Teil zu einem Natio­nal­park erklärt wur­de, besteht eine Mög­lich­keit, dass der noch vor­han­de­ne Wald bestehen bleibt (obwohl selbst in den ent­le­gends­ten Gebirgs­ge­gen­den Ter­as­sen­bau­ten zum Anbau von Nutz­pflan­zen zu sehen sind).

Südseite des Anagagebirges
Süd­sei­te des Anagagebirges

Mei­ne Tour habe ich in San Andrés, nörd­lich der Haupt­stadt San­ta Cruz  (TF 12) begon­nen. Gleich hin­ter dem klei­nen Dorf beginnt die Ser­pen­ti­nen­fahrt. Im unte­ren Teil des Tals betrei­ben die Insel­be­woh­ner (tin­er­fe­ños) auf klei­ne­ren Höfen noch land­wirt­schaft­li­chen Anbau. Gemü­se, Kar­tof­feln und Obst­bäu­me sind zu sehen. Vie­le Zis­ter­nen blit­zen auf und zei­gen, wie die Bau­ern im Som­mer für die Bewäs­se­rung sor­gen. Schnell führt die Stra­ße in die höhe­ren Regio­nen. Inter­es­sant ist, dass die Fau­na auf Süd-Sei­te des Gebir­ges völ­lig anders ist, als auf der Lor­beer­wald­sei­te: Da sich die Regen­wol­ken auf der Nord­sei­te abreg­nen, ist es hier viel tro­cke­ner. So wach­sen zum Bei­spiel in den unbe­wirt­schaf­te­ten Gebie­ten ver­schie­de­ne Suk­ku­len­ten­ar­ten.  Das Ana­ga­ge­bir­ge gilt als der ältes­te Teil der vul­ka­ni­schen Insel. Auf der süd­li­chen Sei­te ist dies auch zu sehen: Das Gebir­ge ist nicht mehr so schroff, weil es durch Wind, Regen über die Jahr­tau­sen­de schon abge­tra­gen wur­de. (Den Gegen­satz dazu bil­det der jün­ge­re Teil Tene­rif­fas rund um Mas­ca im Süd­wes­ten der Insel, der wesent­lich rau­er, ursprüng­li­cher und vul­ka­ni­scher ist).

 

Anagagebirge: Südseite Richtung St. Andrés
Ana­ga­ge­bir­ge: Süd­sei­te Rich­tung St. Andrés

Soweit mög­lich, wur­den die Stra­ßen genau auf dem Gip­fel des Ana­ga­ge­bir­ges gebaut. Zum Bei­spiel hin­ter dem Dörf­chen El Bai­la­de­ro biegt die TF 123 nach Cha­mor­ga ab. Kurz hin­ter El Bai­la­de­ro wur­den Wirt­schafts­ge­bäu­de (wahr­schein­lich) einer Koope­ra­ti­ve gebaut. Das Beson­de­re: Die Bau­ern dort haben täg­lich Weit­bli­cke sowohl in die Nord- und Süd­hän­ge des Gebir­ges, weil die Häu­ser genau auf dem Pass ste­hen. Gleich dahin­ter beginnt der Natio­nal­park und damit auch die Lor­beer­wäl­der. Über gewun­de­ne Stra­ßen geht es immer tie­fer in die Lor­beer­wäl­der. Häu­fig ver­dun­kelt sich der Weg, die Bäu­me umge­ben die Stra­ße tun­nel­ar­tig. Eine mär­chen­haf­te, fast zau­ber­haf­te Stim­mung ent­steht, weil die Lor­beer­bäu­me so dicht wach­sen und wegen der Feuch­tig­keit zum Teil mit lan­gen Moo­sen bewach­sen sind. Ab und zu gibt es Park­plät­ze, von denen Wan­der­we­ge abge­hen. Mein Rat: Gutes Schuh­werk, Regen­klei­dung, Pro­vi­ant und Was­ser sind für län­ge­re Tou­ren unbe­dingt nötig, denn das Wet­ter kann schnell umschla­gen und unge­müt­lich wer­den. Hüb­sche Über­ra­schun­gen sind auch schon bei klei­nen Pau­sen am Boden zu ent­de­cken, so zum Bei­spiel Orchideen.

 

Nord-Talseite
Nord-Tal­sei­te

Die kur­ven­rei­che Stre­cke führt nur in eine Rich­tung bis nach Cha­mor­ga. Des­halb muss der gan­ze Weg dann auch wie­der zurück­ge­fah­ren wer­den. Wer nicht zu spät am Nach­mit­tag los­fährt, kann die Tour durch das Ana­ga­ge­bir­ge gut an einem Tag schaf­fen. Die Stre­cken sind rela­tiv kurz. Den­noch braucht es Zeit, um die kur­ven­rei­chen Stra­ßen zu befah­ren. Zurück zum El Bai­la­de­ro führt dann auch noch eine Stra­ße hin­un­ter zu den Dörf­chen Almaci­ga oder Beni­jo zum Meer. Die Nord­sei­te zeigt sich ins­ge­samt wil­der, auch weil der Atlan­tik immer wütend an der Küs­ten­re­gi­on nagt. Zurück auf der Haupt­stra­ße (TF 12) win­det sich die Pass­stra­ße wei­ter. Über­all gibt es Aus­sichts­punk­te, die ein­la­den und auch loh­nen. Die Stra­ße endet in einer der ältes­ten Stadt der Insel: La Lagu­na.

 

Kleine Orchidee
Klei­ne Orchidee

Apro­pos Maka­ro­ne­si­en: Das Wort hat einen grie­chi­schen Ursprung. Auf grie­chisch bedeu­tet maka­ri­os geseg­net oder glück­lich, nesos ist die Insel. Maka­ro­ne­si­en — die Inseln der Glück­li­chen — müs­sen von den Grie­chen zuerst ent­deckt wor­den sein. In den meis­ten Rei­se­füh­rern steht jedoch, dass die Guan­chen, die als Urbe­völ­ke­rung gel­ten, aus Afri­ka (Ber­ber­völ­ker) stam­men. Doch dem nach­zu­ge­hen ist eine ande­re Geschichte…

Quel­le: Frey Wolf­gang, Lösch Rai­ner: Geo­bo­ta­nik. Pflan­ze und Vege­ta­ti­on in Raum und Zeit. 3 Auf­la­ge. Spek­trum Aka­de­mi­scher Ver­lag. Hei­del­berg 2010. S. 428, 429.

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