Makaronesien? Bisher bin ich dem Begriff, der sich eher nach der bekannten, italienischen Nudelsorte anhört, nicht begegnet. Bis zum letzten Teneriffa-Urlaub. Teneriffa gehört nämlich zu Makaronesien. Schöner klingt allerdings “Insel der Gesegneten oder Glücklichen”. Dazu werden die Azoren, Madeira, die Kanaren und Capverden gezählt. Etwas, das sich diese Inseln geobotanisch unter anderem teilen, sind Lorbeerwälder. Auf Teneriffa liegen die Lorbeerwälder auf der Nordseite des Anaga-Gebirges. Es ist leicht geworden, die Lorbeerwälder per Auto zu besuchen. Denn ein EU-Förderungsprogramm hat zum Ausbau vieler Straßen beigetragen. Auch die Straßen hoch oben in den Anagapässen haben davon “profitiert”. Eine Fahrt lohnt sich in jedem Fall bei gutem Wetter. Denn die nach wie vor engen Serpentinenstraßen über die Pässe bieten atemberaubende Ausblicke auf die Nord-Ost oder Nord-West-Seiten des Gebirges — je nach dem auf welcher Seite sich die Straße gerade schlängelt. Die Ausblicke sind schön, wild und urwüchsig.
Eine wichtige Wachstumsbedingung für Lorbeerwälder: Stetig wehende Nord-Ost-Passat-Winde. Vom Meer her kommend prallen sie auf die Nordhänge der Inseln, stauen sich dort und liefern sogenannten Steigungsregen. Dieser bringt auch im Sommer Nebelniederschlag. Die Passatwinde schaffen ein durchgängig warm-gemäßigtes, feuchtesKlima im Anagegebirge und damit die richtigen Wachstumsbedingungen der Lorbeerwälder. Auch dann wenn im Sommer in anderen Regionen der Insel Teneriffa eher Trockenheit herrscht. Die Lorbeerwälder gibt es auf Teneriffa, La Palma, El Hierro, La Gomera und Gran Canaria mit ähnlichen geobotanischen Bedingungen.
Der Lorbeerwald Teneriffas (Laurus azorica) zieht sich auf der Nordseite von etwa 500 Metern bis 1.200 Meter die Berge hinauf. Er gilt als Überbleibsel der tertiären Übergangsphase (vor 65 Millionen Jahren, für die Erdentstehung ein Wimpernschlag, Ende Kreidezeit). Etwa zehn Prozent des ursprünglich vorhandenen Lorbeerwaldes besteht noch (siehe Quelle). Da das Anaga-Gebirge zum Teil zu einem Nationalpark erklärt wurde, besteht eine Möglichkeit, dass der noch vorhandene Wald bestehen bleibt (obwohl selbst in den entlegendsten Gebirgsgegenden Terassenbauten zum Anbau von Nutzpflanzen zu sehen sind).
Meine Tour habe ich in San Andrés, nördlich der Hauptstadt Santa Cruz (TF 12) begonnen. Gleich hinter dem kleinen Dorf beginnt die Serpentinenfahrt. Im unteren Teil des Tals betreiben die Inselbewohner (tinerfeños) auf kleineren Höfen noch landwirtschaftlichen Anbau. Gemüse, Kartoffeln und Obstbäume sind zu sehen. Viele Zisternen blitzen auf und zeigen, wie die Bauern im Sommer für die Bewässerung sorgen. Schnell führt die Straße in die höheren Regionen. Interessant ist, dass die Fauna auf Süd-Seite des Gebirges völlig anders ist, als auf der Lorbeerwaldseite: Da sich die Regenwolken auf der Nordseite abregnen, ist es hier viel trockener. So wachsen zum Beispiel in den unbewirtschafteten Gebieten verschiedene Sukkulentenarten. Das Anagagebirge gilt als der älteste Teil der vulkanischen Insel. Auf der südlichen Seite ist dies auch zu sehen: Das Gebirge ist nicht mehr so schroff, weil es durch Wind, Regen über die Jahrtausende schon abgetragen wurde. (Den Gegensatz dazu bildet der jüngere Teil Teneriffas rund um Masca im Südwesten der Insel, der wesentlich rauer, ursprünglicher und vulkanischer ist).
Soweit möglich, wurden die Straßen genau auf dem Gipfel des Anagagebirges gebaut. Zum Beispiel hinter dem Dörfchen El Bailadero biegt die TF 123 nach Chamorga ab. Kurz hinter El Bailadero wurden Wirtschaftsgebäude (wahrscheinlich) einer Kooperative gebaut. Das Besondere: Die Bauern dort haben täglich Weitblicke sowohl in die Nord- und Südhänge des Gebirges, weil die Häuser genau auf dem Pass stehen. Gleich dahinter beginnt der Nationalpark und damit auch die Lorbeerwälder. Über gewundene Straßen geht es immer tiefer in die Lorbeerwälder. Häufig verdunkelt sich der Weg, die Bäume umgeben die Straße tunnelartig. Eine märchenhafte, fast zauberhafte Stimmung entsteht, weil die Lorbeerbäume so dicht wachsen und wegen der Feuchtigkeit zum Teil mit langen Moosen bewachsen sind. Ab und zu gibt es Parkplätze, von denen Wanderwege abgehen. Mein Rat: Gutes Schuhwerk, Regenkleidung, Proviant und Wasser sind für längere Touren unbedingt nötig, denn das Wetter kann schnell umschlagen und ungemütlich werden. Hübsche Überraschungen sind auch schon bei kleinen Pausen am Boden zu entdecken, so zum Beispiel Orchideen.
Die kurvenreiche Strecke führt nur in eine Richtung bis nach Chamorga. Deshalb muss der ganze Weg dann auch wieder zurückgefahren werden. Wer nicht zu spät am Nachmittag losfährt, kann die Tour durch das Anagagebirge gut an einem Tag schaffen. Die Strecken sind relativ kurz. Dennoch braucht es Zeit, um die kurvenreichen Straßen zu befahren. Zurück zum El Bailadero führt dann auch noch eine Straße hinunter zu den Dörfchen Almaciga oder Benijo zum Meer. Die Nordseite zeigt sich insgesamt wilder, auch weil der Atlantik immer wütend an der Küstenregion nagt. Zurück auf der Hauptstraße (TF 12) windet sich die Passstraße weiter. Überall gibt es Aussichtspunkte, die einladen und auch lohnen. Die Straße endet in einer der ältesten Stadt der Insel: La Laguna.
Apropos Makaronesien: Das Wort hat einen griechischen Ursprung. Auf griechisch bedeutet makarios gesegnet oder glücklich, nesos ist die Insel. Makaronesien — die Inseln der Glücklichen — müssen von den Griechen zuerst entdeckt worden sein. In den meisten Reiseführern steht jedoch, dass die Guanchen, die als Urbevölkerung gelten, aus Afrika (Berbervölker) stammen. Doch dem nachzugehen ist eine andere Geschichte…
Quelle: Frey Wolfgang, Lösch Rainer: Geobotanik. Pflanze und Vegetation in Raum und Zeit. 3 Auflage. Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg 2010. S. 428, 429.
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