“Wenn das männliche Stöckel nicht mehr steht, hilft Liebstöckel”, so lautet eine Volksmund-Weisheit. In der Erfahrungsheilkunde ist das Würzkraut als Liebeskraut (Aphrodisiakum) bekannt, um Abhilfe zu schaffen. Die moderne Wissenschaft hat dergleichen noch nicht festgestellt. Aber das muss ja nichts heissen. Heute wird Liebstöckel (Levisticum officinale) zumeist als Küchenkraut eingesetzt. Sein Geschmack ist kräftig und charakteristisch. Viele kennen es leider nur als “Maggi-Kraut”. Die Würzsauce hat jedoch nichts mit Liebstöckel zu tun. Nur wird es seit vielen Jahren mit Julius Maggi, dem Erfinder seines Gärverfahrens zur Herstellung der Maggi-Würze, verknüpft. Warum, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Klar ist jedoch, dass sowohl Würzsauce wie auch Kraut eine außerordentliche Würzkraft entfalten: Bei der Sauce reichen ein paar Tropfen, beim Kraut zwei junge Blätter, um Küchengerichten einen deftigen Geschmack zu verleihen.
Liebstöckel eignet sich zum Würzen für Saucen, Braten, Suppen, Salate, Gemüse oder Kräuterquark. Von der Pflanze lassen sich Blätter, Stängel und auch Wurzeln verwenden. Vorsicht ist allerdings angebracht: Denn eine Überwürzung von frischem oder getrocknetem Würzkraut lässt sich ähnlich wie dem Chili durch Verlängern oder Hinzufügen anderer Zutaten nicht mehr aufheben.
Genauso kräftig wie im Geschmack ist sie im Wuchs. Sie ist so vital, dass der Strauch zweimal im Jahr geschnitten werden kann, um daraus einen eigenen Wintervorrat anzulegen: Mehrere Stängel werden gebündelt, Kopf über aufgehängt und langsam getrocknet. Das ist bei der gegenwärtigen Wärme gar kein Problem. Wichtig ist nur, dass eine durchgängige Trockenheit besteht. Dass nicht zum Beispiel Liebstöckel draussen aufgehängt wird, wo am Morgen oder Abend wieder Feuchtigkeit auftritt. Richtig trocken ist das Kraut dann, wenn die Blätter knisternd zwischen den Fingern zerfallen. Dann werden sie zerkleinert und in dunkle, luftdichte Gläser gefüllt. So aufbewahrt behält es zwei Jahre lang seine Würzkraft.
Liebstöckel hat auch wertvolle medizinische Eigenschaften: Es ist krampflösend zum Beispiel bei Blähungen und Aufstossen. Auch Verdauungsbeschwerden wie Sodbrennen oder Völlegefühl durch frisch aufgebrühten Liebstöckelwurzel-Tee zu bessern. Schliesslich haben die Wurzeln noch antimikrobielle und harntreibende Wirkung. Deshalb wird Liebstöckel-Wurzeltee bei der Behandlung entzündlicher Erkrankungen der ableitenden Harnwege (v. a. der Blase) oder zur Harnwegs-Durchspülung (Vorbeugung von Nierengriess) verwendet. Nicht eingesetzt werden darf der Tee allerdings bei akuten entzündlichen Erkrankungen des Nierenparenchyms (Glomerulonephritis) oder eingeschränkter Nierenfunktion! Ebenso wenig bei Ödemen infolge eingeschränkter Herzfunktion.
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Monographie Liebstöckel-Wurzel