Wieder ein traumhafter Septembertag mit hochsommerlichen Temperaturen. Der Wannsee mit seinen vielen Möglichkeiten lockt. Eine davon: Ein Besuch in der Liebermann-Villa und seinem Garten. Die Villa liegt direkt am Wannsee und läßt sich von der U‑Bahnstation Wannsee leicht mit dem 114-Bus erreichen. Es lohnt sich, früh zu kommen. Denn ab Mittag kommen zahllose Besucher, dann wird die Ruhe und Beschaulichkeit der Gartenanlage empfindlich gestört. Ein Rundgang.
Neben der Villa ließ Max Liebermann (1847–1935), ein deutscher bekannter Maler des Impressionismus, ein “Gartenhäuschen” bauen. Hierin befindet sich heute die Kasse und der Eingangsbereich in den Garten. Das heisst genauer in den hinteren Garten, der als Nutzgarten vorgesehen war und heute noch ist. In dem Nutzgarten befinden sich sämtliche Pflanzen, die früher zur traditionsbewußten Küche gehörten: Rot‑, Weiss-, Grünkohl als Wintergemüse. Strauch- und Stangenbohnen, Sellerie, Zwiebeln beispielsweise. Wegen seiner sehr sonnigen Garten-Lage gedeihen sogar Artischocken und Tomaten.
Der Nutzgarten ist zweckmäßig angelegt. Klare Beete in einheitlicher Größe gehen von den zwei Wegen ab. Die Pflanzen stehen ordentlich, akurat und unkrautfrei. Dazwischen gibt es verschiedenste Obstbäume: Verschiedene Apfelsorten, Birnen und am Gartenhäuschen rankt sogar Wein. Alfred Lichtwark (1852–1914), Direktor der Hamburgischen Gemäldegalerie, selbst ethusiastischer Gartenfreund soll bei der Gartenkonzeption Pate gestanden haben. Der Teil hinter der Villa ist also zweckmäßig ausgerichtet: Zum Anbau von Nutz‑, Heilpflanzen und Blumen. Im Heilpflanzenbeet wachsen Pfefferminze, Thymian, Rosmarin, Liebstöckel und Petersilie beispielsweise. Danach schließt sich der farbenprächtige Blumengarten an, der den Charakter eines Bauerngartens hat. Die Beete sind von duftenden Buchsbaumhecken umsäumt und beherbergen alle denkbaren Blüten- und Staudenpflanzen. Nun zum späten Sommer dominieren die herbstlichen Blumen das Bild: Leuchtende Dahlien in allen Farbschattierungen, Herbstastern leuchten den Besuchern entgegen.
Frauenmantel, Rosen fehlen ebenfalls nicht. Die Blumen sind noch mit herbstlichem Tau benetzt und von manchen glänzenden Spinnweben umwoben. Der Streifzug durch den Bauern- und Nutzgarten hat durch seine “Gefangenheit” mit Bäumen und Sträuchern, Beeten ringsum etwas Geschütztes, Heimeliges. Die Wege rechts und links von der Villa eröffnen dann jeweils abhängig von welcher Seite gegangen wird, etwas komplett anderes: Den Blick auf den Wannsee und davor dann einen eher repräsentativen Garten mit unterschiedlichen Facetten.
Auf der linken Seite liegen die drei Heckengärten. Im sogenannten Lindenkarre bilden sorgfältig geschnittene Linden eine Art Baldachin und damit einen geschützten Raum. Der sich anschließende “Ovale Garten” ist offener und großzüger gestaltet und von verschiedenen Blumenbeeten mit Lilien und Schmuckkübeln geprägt.
Zentraler Punkt des Rosengartens ist eine Sonnenuhr. Die Heckengärten gehen ineinander über. An versteckten oder auch innerhalb der Sichtachsen zum Wannsee hin stehen Sitzbänke, die zum Verweilen und Sinnieren einladen.
Danach eröffnet sich der freie Blick zum Wannsee. Am Ufer steht ein reetgedecktes Gartenhäuschen und eine Steganlage. Von dort aus kann der Wannsee in alle Richtungen eingesehen werden: Gegenüber liegt das Wannseebad, verschiedene Segelyacht-Häfen reihen sich aneinander. Das Wasser plätschert und ein Angler wirft gerade seine Angeln aus — alles ist sehr idyllisch und friedlich. Das Ufer ist zum Teil schützend umsäumt von Rohrkolben-Schilf und Blutweiderich. Am Ende des Uferwegs steht eine alte ehrwürdige Trauerweide. Dann führt der Weg zurück über ein kleines Birkenwäldchen. Die Mittagssonne wirft malerische Lichtkegel auf den Weg — als wolle sie zum impressionistischen Malen einladen.
Liebermann ließ die Villa schon in fortgeschrittenen Lebensjahren nach seinen Vorstellungen erbauen. Er wollte ein Refugium, um sich vom Berliner Stadtleben und seiner repräsentativen gesellschaftichen Aufgaben zurückziehen zu können. Liebermanns Reisen nach Hamburg und der dortig Besuch der Villa der Godeffreys soll ihn für sein eigenes Haus am Wannsee inspiriert haben. Im unteren Teil der Villa befindet sich ein Café mit wunderschönem Blick auf den Wannsee. Auch ein kleiner Informationsraum über die Geschichte der Villa ist vorhanden.
Liebermann entstammte einer reichen jüdischen Textilkaufmann-Familie. Entsprechend schwierig war die künstlerische Entwicklung des jungen Liebermanns, dessen zeichnerische Talente zwar durchaus gefördert, jedoch als berufliche Perspektive nicht gerne gesehen wurden. Liebermann musste erst einen Umweg gehen: Er studierte Chemie und wurde exmatikuliert, weil er keinerlei Interesse für das Fach aufbrachte. Erst danach ermöglichte sein Vater ihm ein Kunststudium. Durch das Bild die “Gänserupferinnen” wurde er bekannter. Weil er sich jedoch der sogenannten “Schmutzmalerei”, widmete, also eher die arbeitende Bevölkerung darstellte, fand er zunächst keine Käufer für seine Bilder. Er verliess Deutschland ging zunächst nach Holland, dann nach Frankreich. Dort lernte er den Impressionismus kennen. Erst einige Jahre nach seiner Rückkehr nach Deutschland begann er seinen Stil immer impressionistischer auszuprägen. Mit diesem neuen Stil hatte er Erfolg und wurde zu einem beliebten und erfolgreichen deutschen Impressionisten.
Die Stärkung des Nationalsozialismus in den 40iger Jahren verfolgte Liebermann mit großer Besorgnis und strikter Ablehnung. Das Schicksal war Liebermann gnädig. Er starb 1935 und somit wurde ihm die Verschleppung in ein Konzentrationslager erspart. Seine Frau Martha nahm sich 81jährig das Leben, um Theresienstadt zu entgehen. Tochter und Enkelin Liebermanns waren rechtzeitig in die USA emigiert. Die Liebermann-Villa wurde von den Nationalsozialisten konfiziert und an die Reichspost übergeben. Nach dem Krieg wurde die Villa zu einem Krankenhaus umfunktioniert. Durch die vielen Jahrzehnte hatten sich Verfall breit gemacht, weder die Villa noch der Garten waren in ihren Ursprüngen erkennbar. Die 1995 gegründete Max-Liebermann-Gesellschaft engagierte sich für die Renovierung und Rekonstruierung des Hauses wie auch des Gartens. Die Liebermann-Villa ist heute unter Denkmalschutz gestellt.
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