Die Holunderbeeren sind reif. Holunder (Sambucus nigra) wird und wurde sehr geschätzt. Der 3–7 Meter hoch wachsende Strauch hatte ein hohes Ansehen und alle seine Anteile wurden vollständig verwendet: Blüten, Blätter, Rinde, Holz und Wurzeln wurden nachweislich schon in der Steinzeit genutzt.
Um den Hollerbusch, wie er im Norden auch genannt wird, ranken sich allerlei Mythen. Der Busch galt oder gilt auch heute noch als Sitz wohlgesonnener Hausgötter. Deshalb sollten Holunderbüsche nicht radikal heruntergeschnitten werden, ohne den Busch um Verzeihung zu bitten. Denn ohne Respektsbezeugungen können Krankheiten folgen, so weiss der Volksglaube in vielen Regionen Deutschlands zu berichten. Deshalb ist es auch gut, sich vor dem Ernten von Blüten oder Früchten im Herbst zu bedanken. Das ist ohnehin eine gute Idee, denn Dankbarkeit für die Früchte der Natur, die uns gesund erhalten und uns z.B. in Zeiten der Erkältung helfen, haben wir leider verloren.
Holunderbüsche sind bei genauer Betrachtung etwas Besonderes. Es ist kein Strauch, der aufgrund seiner Schönheit Beachtung auf sich zieht, sondern wegen seines unbedingten Überlebenswillens und seiner unglaublichen Vitalität. Ich wurde zu einem Freund aufs Land eingeladen, um Holunderbeeren zu ernten. Dieser Freund scheint ein Abkommen mit seinen Holunderbüschen zu haben: Zum Dank, dass sie seine Holzterasse erobern durften, beschenken sie ihn alljährlich mit reichlichen Früchten im Herbst. Zuerst haben sich vor ein paar Jahren ein paar Zweiglein durch die Holzpanelen geschoben. Sie wurden rasch dicker, bis die Stämme die Holzpanelen auseinandergesprengten, um Platz zu haben. Sie dürfen bleiben, doch nach der Ernte schneidet er sie immer ziemlich radikal wieder herunter.
Die schwarzen Früchte hängen an elastischen Zweigenden, die am unteren Ende beginnen, sich rot zu färben um dann zu den Früchten hin in knallroten Verzweigungen zu enden. Sie sehen wie Adern aus, die die Früchte halten und bis zum Schluss versorgen. Die Fruchtdolden werden nach dem Abschneiden vorsichtig ausgeklopft, um die Tierchen zu vertreiben, die sich gerne darin aufhalten. Ohrenkneifer oder Spinnen suchen das Weite. Fünf Eimer nehme ich mit nach Berlin und denke auf der Heimfahrt darüber nach, wie ich diese Massen am besten verarbeite.
Gestern und heute habe ich also die Holunderbeeren verarbeitet. Es sind sechs Flaschen Holundersaft und drei Gläser Holundergelee daraus geworden. Einen Eimer konnte ich noch an eine Nachbarin abtreten. Ganz schön färbend, der Holunder! So, nun ist eine Pause angesagt — ist doch ziemlich aufwändig. Und der Entsafter steht auf der Einkaufsliste fürs nächste Jahr. Ich denke, damit geht alles schneller.
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