Die Fragen rund um das Wachstum der Wildpflanzen (siehe Wildpflanzen im Balkonkasten), die ich erst im Sommer ausgesät habe, beschäftigen mich weiter. Bei genauerer Recherche stellt sich heraus: Natürlich ist das Säen im Sommer nicht erfolgreich, denn es widerspricht den Gesetzen der Chronobiologie. Die Gesetzmäßigkeiten der biologischen Rhythmen spielen nicht nur beim Menschen eine wesentliche Rolle, alle Lebewesen und eben auch Pflanzen sind ihnen unterworfen. Kein Wunder also, dass meine Wildpflanzen im Sommer nicht so recht keimen wollten. Es war nicht die richtige Zeit.
Die biologische Uhr oder der Biorhythmus produziert eine ganze Reihe von Stoffwechselaktivitäten: Bei Heilpflanzen oder Pflanzen sind Intensität des Lichts (im Frühling zum Keimen), Dauer des Lichts (im Sommer zum Reifen), Temperatur der Luft, des Bodens — sämtlich Faktoren, die Pflanzen beim Wachsen, Reifen und Austragen ihrer Früchte beeinflussen. Über beispielsweise die Licht- und Temperaturbedingungen, die die Blätter “ermitteln”, wird die circadiane Uhr, also die “innere Uhr” der Pflanzen betrieben. Folglich lassen sich weder die Samen noch die heranwachsenden Blätter zu schnellerem Wachstum antreiben, auch nicht wenn es schön sommerlich warm ist. Dass da etwas nicht stimmt mit den Außenbedingungen, wird der Pflanze durch die verschiedenen veränderten Außen-Bedingungen als jahreszeitlich-biorhythmischer Faktoren vermittelt: Die Sonne steht nicht richtig, auch ihre Intensität stimmt nicht. Im Sommer ist die Temperatur z.B. morgens wie abends zu hoch — kein Wunder also, dass die Wildpflanzen nicht keimen wollten.
Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit diesen Fragen. Eine Gruppe indischer Wissenschaftler beispielsweise stellte photoperiodische Impulse bei Pflanzen fest, die den chemischen Faktor bei den Pflanzenblättern bestimmen, d.h. auch die Wirkstoffeinlagerung. Für die Pharmokognosie, also die Drogenkunde, sind solche Erkenntnisse bedeutsam: So wird erforscht, wann z.B. Senf-Samen den höchsten Melatonin-Gehalt haben. Dieses Wissen kann dann wiederum bei der Verarbeitung von Arzneimitteln Berücksichtigung finden. Denn zur rechten Zeit geerntet, sind die höchsten Wirkstoffgehalte für Arzneimittel garantiert. [1]
Eigentlich ist das ein altes Thema, welches jedoch bei der bevorstehenden Zeitumstellung wieder Aktualität bekommt: Trotz des Wissens um die Schädlichkeit von Zeitumstellungen auf die Chronobiologie der Lebewesen, wie durch zahlreiche Studien belegt, wird daran festgehalten.
[1] Ajay, J.Y. et al: Chronopharmacognosy. Pharmacogn Rev. 2012 Jan-Jun; 6(11): 6–15. (PMCID: PMC3358969)
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