Seit einigen Jahren bin ich Thüringen-Fan. Wann immer es die Zeit erlaubt, fahre ich hin. Anfang Mai besuchte ich das Helbetal, ein wunderschönes Landschaftsschutzgebiet. Ein Spaziergang bei (fast) sommerlichem Wetter ist gut für die Seele.
Ein kleiner Weg führt direkt an dem Flüsschen Helbe entlang. Er ist noch schattig und über und über mit wilden Schlüsselblumen und Veilchen bewachsen — wunderschön! Ich komme kaum vorwärts, weil mich die Heilpflanzen immer wieder zu Boden zwingen, um ein Foto zu machen und noch eins und noch eins…
Die Helbe ist überhaupt nicht begradigt. Sie schlängelt sich durch das Tal, mal schmaler, mal breiter, mal ruhiger oder schneller. Das Flüsschen lädt immer wieder zum Verweilen ein, zum Betrachten zum Beispiel der schönen Kopfweiden, die zahlreich am Ufer stehen.
Früher wurden die Kopfweiden noch bewirtschaftet. Korbflechter beschnitten die Weidenzweige, um daraus Allerlei zu flechten. Nun ist der Beruf längst in Vergessenheit geraten. Körbe oder Sitzgelegenheiten sind aus Übersee billiger für die Konsumenten, das Flechten lohnt sich nicht mehr. Weil die Kopfweiden nicht regelmäßig beschnitten werden, wachsen sie schnell in die Höhe. Doch Weiden benötigen regelmäßigen Schnitt, um in Form zu bleiben, sonst “zerfallen” sie quasi. Die Bäume bilden zum Teil skurrile Formen — auch als Totholz.
Totholz ist wichtig für viele Käfer und Kleinstlebewesen als Schutz oder für den Nachwuchs. Auf sonnigen Plätzchen finden sich auf dem Holz auch Eidechsen ein. Sie suchen allerdings schnell das Weite und lassen sich nicht beobachten.
Dann öffnet sich das Tal und Wiesen lassen sich in frischem Grün blicken, übersät mit Schlüsselblumen. Darüber zieht ein Milan-Paar seine Kreise. Es ist lange her, dass ich Milane gesehen habe — majestätisch und elegant. Unbeeindruckt von den Raubvögeln schrauben sich in viel größeren Höhen Lerchen in die Lüfte. Sie singen den Sommer herbei.
Später führt der Weg weg von der Helbe, auf Anhöhen, die verschiedene Blicke über das Tal ermöglichen. Alles blüht: Schlehenbüsche, Kirsch‑, Pflaumen‑, Birnenbäume, Löwenzahnfelder, Schlüsselblumen, Hirtentäschel, Blutwurz — es ist die reinste Augenweide.
Weit oben geht ein Weg zurück über Felder mit Gerste, denn in Thüringen wird Bier gebraut. Diese Gerste wird auch im Land selber verarbeitet. Das Thüringer Bier ist frisch und lecker, genauso wie die kräftige Hausmannskost. Wie schon häufiger vorgeschwärmt: Ein Bundesland, dessen Besuch sich zu jeder Jahreszeit lohnt.
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Monographie: Schlüsselblumenblüten