Ich bin Schweiz-Fan. Es ist nicht nur die vielseitige wie imposante Landschaft, die mir gefällt oder die netten, gastfreundlichen Schweizer. Als Heilpflanzen-Liebhaberin fühle ich mich in der Schweiz wegen des vielfältigen Angebots an Heilpflanzen besonders wohl.
Ein Schlüsselerlebnis ergab sich auf meiner ersten Reise vor einigen Jahren. Ich entdeckte für mich die Schweizer Drogerien: Je nach der Größe eines Ortes gibt es in den ansässigen Drogerien größere Abteilungen, in denen beispielsweise in großen Teebüchsen eine riesige Auswahl an Arzneitees vorgehalten werden. Und zwar nicht nur die üblichen Sorten wie Brennnessel-, Schafgarbe‑, Melissen- oder Kamillentees, sondern Erdrauch, Bittersüßstengel oder auch Exotisches. Bei meinem ersten Aufenthalt bin ich geradezu in einen Kaufrausch verfallen und habe mir nicht weniger als 20 Sorten Tees abfüllen lassen. Ich bin dann noch in drei anderen Schweizer Städten gewesen und habe mich in den jeweiligen Drogerien von ähnlich üppigem Sortiment überzeugt. Angeboten werden natürlich nicht nur Tees, sondern auch alle möglichen Präparate mit oder rund um Heilpflanzen wie also Tinkturen, Salben, Spagyrisches , Nahrungsergänzungsmittel usw. Seither ist bei jedem Aufenthalt in der Schweiz, die “Einkehr” in eine Drogerie ein Muss.
Wenn ich in Deutschland schnell etwas brauche, gehe ich in eine Apotheke bei mir um die Ecke. Kräuter-Kühne (schloss alle Filialen Bericht), die einzige Kette mit großer Auswahl, ist für mich manchmal zu weit weg. Viele Apotheken haben hier entweder nur die fertig abgepackten Arzneitees von den Herstellern Sidroga oder Bombastus beispielsweise. Diese Hersteller halten eine (Standard)-Auswahl an Tees in der vakuumbewährten Verpackungsform vor. Der Wunsch nach Buccoblättern oder Cajebut-Baum‑Öl kann sich schon schwieriger gestalten oder eine Teemischung aus verschiedenen Heilpflanzen. Dann wird meistens von den Angestellten erst im Großhandel nachgefragt, ob Gewünschtes vorrätig sind. Mir ist allerdings schon zweimal passiert, dass ich mein Kaufwunsch unerledigt blieb, eben weil der Großhandel die Heilpflanzen nicht vorhielt oder extra besorgen wollte.
In einer Schweizer Drogerie stehend, fällt mir dann besonders der unterschiedliche Umgang in der Schweiz beziehungsweise Deutschland bezüglich der Heilpflanzen oder der vielen möglichen Produkte, die auf Heilpflanzen basieren, auf. Die Drogerien würden diese Vielfalt garantiert nicht anbieten, wenn diese nicht von der Bevölkerung gekauft würden. Folglich ist in der Schweiz noch größeres Wissen von der heilsamen Wirkung der Heilpflanzen und ihrer Nutzung im Alltag lebendig. Vielleicht bin ich auch deshalb so ein Schweiz-Fan. Mir gefällt, dass die Schweizer Heilpflanzen als Tee, für Umschläge, als Spülungen, in Tinkuren oder Salben natürlich und gerne verwenden, anstatt fertige Pillen zu kaufen. Bei einer Kräuterführung im Ela-Park erfuhr ich zwar, dass sich dies auch in diesem Lande ändert. Trotzdem: Im Wissen und vor allem im Gebrauch von Heilpflanzen stehen die Schweizer der Pflanzenheilkunde näher als wir Deutschen. Deshalb wundert mich auch nicht, dass sich die Schweizer 2009 in einer Volksabstimmung mit 67 Prozent dafür ausgesprachen, dass die Komplementärmedizin (die Pflanzenheilkunde ist Teil davon) sogar in der Schweizer Verfassung verankert werden sollte!
In Deutschland hingegen wurde die von der langjährigen SPD-Gesundheitsministerin Ursula Schmidt durchgesetzte Herausnahme der Phytotherapeutika (Arzneimittel aus Heilpflanzen) aus dem Verordnungskatalog (2004) kampflos und klaglos von der deutschen Bevölkerung hingenommen. Die Auswirkungen dieser fatalen Entscheidung zeigte sich in den nachfolgenden zwei bis vier Jahren: Viele mittelgroße bis kleine deutsche, pharmazeutische Unternehmen, die sich mit ihren bewährten, guten Präparaten bis dato eine Nische erobert hatten, mussten ihren Betrieb einstellen. Da die pflanzlichen Arzneimittel (bis auf vier Heilpflanzen-Ausnahmen) nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt wurden und die Bevölkerung zu wenig bereit war, die Kosten aus eigener Tasche zu übernehmen, gingen viele dieser kleinen Unternehmen pleite oder wurden von größeren Pharmariesen geschluckt. Leider sind damit auch viele wertvolle und nützliche Rezepturen für Salben, Tinkturen unwiederbringlich verloren gegangen. Im Mutterland der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) — so wurde Deutschland einst respektvoll genannt — gibt es gegenwärtig nur noch eine Handvoll von Herstellern pflanzlicher Arzneimittel. Doch wenn sie Geschäfts-Zuwächse haben, dann stammen diese aus dem Ausland. In osteuropäischen Ländern hat Deutschland beispielsweise noch den Ruf, sich verdienstvoll um die Phytotheraphie zu kümmern. Was Angesichts der geradezu paradiesischen Zustände in der Schweiz ein Witz ist. Die steigenden Umsätze der deutschen Phytohersteller werden u.a. in Russland generiert.
Doch genug des Lammentierens: Das Betreiben dieses Blogs sehe ich als Chance, das Wissen um die wertvolle Nutzung von Heilpflanzen, Heilkräutern oder Gewürzen wieder zu aktivieren. Oder um an kleinen Beispielen zu zeigen, welche billigen und dabei höchst wirksamen Möglichkeiten Heilpflanzen bieten. In diesem Sinne: Lassen wir uns von den Schweizern inspirieren und anstecken!
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Sehr schön beschrieben, ich liebe Kräuter für Nahrung, Wildgemüse, Medizin.… Dankeschön ?
bei uns gibt es zwar keine spezialisierten Apotheken, dafür hat jeder Drogeriemarkt wie dm, Schlecker und Co. mindestens 5–10 Regale mit großer Auswahl an pflanzlichen Präparaten jeder Art. Deshalb finde ich das nicht schlimm.
beim nächsten Schweiztrip werde ich mal drauf achten. Ist mir noch nicht so ins Auge gesprungen 😉 außerdem finde ich schon, dass es auch bei uns einige Apotheken gibt die sich spezialisiert haben. Ich habe eine in der nähe, aber vielleicht bin ich dadurch verwöhnt. Und Kräuter Kühne habe ich bisher nur in Hamburg und berlin gesehen. Aber vielleicht liege ich falsch. Ich finde den Laden auch gut.